Ist Angst vor Strahlung berechtigt?
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Hinführung
Im Jahr 2020 hat sich Hannah Ritchie, eine junge Wissenschaftlerin der Universität Oxford, der Frage gewidmet, welche Energiequellen die saubersten und sichersten sind [1]. Sie (siehe Grafik 1) kommt dazu, dass die besten drei Solar-, Kern- und Windenergie sind. Alle drei produzieren sowohl sehr wenig Treibhausgasemissionen als auch sehr wenig Todesfälle pro kWh. Die drei schlimmsten sind Kohle, Öl und Erdgas. Diese drei sind für sehr hohe Treibhausgasemissionen und für viele Todesfälle verantwortlich.
Figure 1: Die sichersten und saubersten Energiequellen
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 80% des Stroms aus Windkraft (32%), Kohle (26%), Solaranlagen (12%) sowie Gaskraftwerken (10%) erzeugt S. [2, p. 12]. Wenn wir dem Klimawandel etwas entgegensetzen wollen ist der fossile Anteil dieses Energiemixes ein Problem. Warum klammern wir eine der saubersten und gleichzeitig sichersten Energieerzeugungsformen [1] - die Kernenergie - kategorisch aus?
2024 ist das erste Jahr seit 1957, in dem wir keinen Strom aus Atomenergie gewinnen. Der Weg für den Ausstieg aus der atomaren Stromerzeugung wurde von der Anti-AKW Bewegung vorbereitet. Angela Merkel vollzog den nach der Kraftwerkshaverie von Fukushima, obwohl dabei eine einzige Person an den Strahlenfolgen verstarb[3]. Offenbar basieren die Bedenken gegenüber der Kernenergie auch auf diffusen Ängste vor radioaktiver Strahlung.
Radioaktive Strahlung kann, anders als Luftverschmutzung, sehr gut gemessen werden. Sie ist weder unheimlich noch magisch und doch behandeln wir sie genau so. Wir sprechen davon, dass radioaktivität freigesetzt werden kann und dann in der Umwelt ist. Wir gehen davon aus, dass Menschen und Materialien "verstrahlt" werden können und von da an auf einmal selbst zu strahlen beginnen. Um der Angst vor Strahlung zu begegnen ist es notwendig zu verstehen, dass Radioaktivität eine Materialeigenschaft ist. So wie es bei elektrischer Leitfähigkeit, Transparenz oder Schwimmfähigkeit unsinnig ist, davon zu sprechen, dass sie freigesetzt werden kann, ist es ebenso sinnfrei davon zu sprechen, dass Radioaktivität freigesetzt werden kann. Richtig ist davon zu sprechen, dass Materialen freigesetzt werden, die die Materialeigenschaft radioaktiv besitzen.
Neben den Ängsten vor den Gefahren gibt es weitere Argumente, die eine ablehnende Haltung gegenüber Atomkraft stützen. Diese subsumieren sich in die militärische und die wirtschaftliche Kategorie. Allerdings ließe sich das Militär theoretisch einschränken und auch die Wirtschaftlichkeit einer Technologie kann Prinzipiell hergestellt werden. Das Beispiel der Solarenergie zeigt dies eindrucksvoll[4]. Es handelt sich daher bei diesen Kategorien nicht um fundamentale oder unumstößliche Argumente.
Die Auswirkungen von Strahlung auf den Menschen ist jedoch ein biophysikalischer Fakt, der verstanden, aber nicht verändert werden kann. Daher möchte ich im Folgenden nur auf dieses Argument eingehen und den Ängsten gegenüber Radioaktivität mit Fakten etwas entgegensetzen.
Hintergrundwissen
1. Ionisierende Strahlung
Die Welt in der wir leben strahlt. Wir sind ständig von unterschiedlichsten Strahlungsformen umgeben. Zu dieser Strahlung zählen harmlose elektromagnetische Wellen wie Radiowellen, die wir für Rundfunk- und Fernsehen nutzen. Es gibt die weniger harmlose Strahlung der Sonne, die UV-Strahlung. Und es gibt den Bereich der hochenergetisch-ionisierenden Strahlung. Zu diesem Bereich zählen Teile der UV-Strahlung, Röntgenstrahlung, Gammstrahlung sowie die Partikelstrahlung des radioaktiven Zerfalls.
Strahlung überträgt immer Energie, aber die übertragene Energie ist nicht immer gleich. Beispielsweise ist die morgendliche Sonnenstrahlung oft nicht energiereich genug, um einen Sonnenbrand zu verusachen. Dieselbe Strahlung zu späterer Tageszeit kann schon deutlich mehr Energie übetragen. Dabei ist die Strahlung dieselbe, die übertragene Energie jedoch nicht. Strahlung, die beim Auftreffen noch genug Energie besitzt, um einzelne Elektronen aus Atomen und Molekülen herauszulösen, wird als ionisierende Strahlung bezeichnet.
Die Auswirkungen ionisierender Strahlung auf Organismen sind hochgradig unterschiedlich und stellen unter dem Oberbegriff der "Strahlenbiologie" ein eigenes Forschungsfeld dar. Ionisierende Strahlung ist in der Lage, im Organismus Schäden hervorzurufen. Mögliche Effekte sind zum Beispiel das Schädigen des Erbguts einer Zelle. Aber auch chemische Folgeschäden durch freie Radikale, die durch Zerschlagung von Molekülen entstanden sind, gehören dazu.
Die Quellen ionisierender Strahlung auf unserem Planeten sind vor allem natürlichen Ursprungs. Dabei geht die Hälfte der ionisierenden Strahlung auf das Radon-Gas des Bodens zurück (vgl. [5]). Daneben befinden sich überall natürlich vorkommende Radionukleide in den Böden und Gesteinen. Es gibt natürliche Strahlung in der Vegetation und damit auch in unserer Nahrung (beispielsweise Potassium in Banannen). Ursächlich dafür sind geringe Mengen an Uran, Thorium sowie deren Zerfallsprodukte, die natürlich vorkommen. Und dann gibt es noch die kosmische Höhenstrahlung (Quelle [6]).
Neben den natürlichen Quellen existieren auch ionisierende Strahlenquellen menschlichen Ursprungs. Die mit Abstand größte Quelle dieser Strahlung entspringt der Röntgendiagnostik. Diese ist für 96,97% der nicht natürlichen Strahlung verantwortlich. Weiter 3% kommen aus dem Bereich der Nuklearmedizin. kerntechnische Anlagen, durch nuklearem Fallout, Atombombenfallout oder andere technische Ursachen begründen die übrigen 0.03% Strahlung(vgl. S. [6, p. 17]).
Wenn wir uns um ionisierende Strahlung sorgen, sollten wir diese Verteilung der Quellen ionisierender Strahlung berücksichtigen.
2. Energieübertragung
Strahlung ist nur dann ionisierend, wenn sie beim Auftreffen noch außreichend Energie besitzt, um zu ionisieren. Das hängt nicht allein von der Strahlenquelle ab, sondern von weiteren Faktoren. Entscheidend ist dabei zum einen die Entfernung der Strahlenquelle, zum anderen aber auch das Medium, durch das die Strahlung hindurch muss. Beide Faktoren haben einen bedeutenden Einfluss auf die ankommende Energiemenge.
Alle Strahlenquellen haben gemeinsam, dass sich ihre Energie kugelförmig und gleichmäßig in alle Richtungen ausbreitet. Das bedeutet, dass die ankommende Energie mit steigender Entfernung nachlässt, sogar immer schneller nachlässt. Begründet ist dies im Abstandsgesetz. Dieses Gesetz besagt, dass die übertragene Energie quadratisch abnimmt, wenn sich die Entfernung linear vergrößert. Anders ausgedrückt: Beim Verdoppeln des Abstands viertelt sich die Energie, die auf gleicher Fläche ankommt. Bei einer verdreifachung des Abstandes kommt sogar nur noch ein Neuntel der Energie an. Je weiter entfernt die Strahlenquelle ist, umso weniger Energie kommt auf gleicher Fläche an.
Neben der Entfernung ist auch das Medium wichtig, durch welches die Strahlung übertragen wird. Jede Strahlung wird von unterschiedlichen Medien, unterschiedlich stark abgeschirmt. Das Prinzip ist von der Sonnencreme her bekannt. Hier reicht schon eine dünne Schicht eines UV-Filternden Mediums - die Sonnencreme - aus, um die auf der Haut ankommende Energie spürbar zu mindern.
Gleiches gilt auch für die Partikelstrahlung radioaktiver Nukleide. So lässt sich beispielsweise die α-Strahlung allein durch ein Blatt Papier abschirmen. β-Strahlung wird schon von einer dünnen Metalschicht abgeschirmt. Und γ-Strahlung, als elektromagnetische Strahlung, wird von einer dicken Schicht dichten Metalls wie beispielsweise Blei aber auch von wenigen Metern Wasser abgeschirmt.
Die vom Organismus aufgenommene Energie kann in Joule pro Kilogramm Körpermasse gemessen werden. Allerdings hilft dieses Maß in dieser Form noch nicht bei der bestimmung der Auswirkung. Strahlung hat an unterschiedlichen Stellen des Organismus auch eine unterschiedliche Wirkung. Die gleiche Energiemenge kann großen Schaden anrichten, wenn sie beispielsweise im Körperinneren direkt auf Organe trifft. Sie kann aber auch relativ ungefährlich sein, wenn sie von außen auf dicke Hautschichten trifft. Damit kann die gleiche eintreffende Energie zu unterschiedlichen Wirkungen führen, abhängig lediglich davon, wo sie auftrifft.
Die Komplexität der geschilderten Faktoren (die Art der Strahlung, die Entfernung zur Quelle, die Auswirkungen des Mediums sowie die spezifische Wirkung auf unterschiedliche Körperstellen) wird durch Einführung der Einheit der Äquivalenzdosis reduziert. In der Äquivalenzdosis sind all diese Faktoren enthalten, sodass Werte der Äquivalenzdosis miteinander vergleichbar sind.
Diese Einheit wird Sievert genannt, mit Sv abgekürzt und gehört zum Kanon der SI Standardeinheiten.
Die Einheit Sievert bezieht sich auf einen Organismus und gibt an, welche Strahlendosis ein Organismus aufgenommen hat. Ein Wert von einem Sievert (1Sv) ist sehr hoch. Üblicherweise werden Werte in tausenstel Sievert - also in Milli-Sievert-Bereich (mSv) - oder noch kleinteiliger angegeben. Die Aufnahme einer Dosis von 1Sv führt in aller Regel zu einer Strahlenkrankheit. Die Aufnahme von 6Sv führt in 100% der Fälle bereits nach 14 Tagen zum Tode.
Ein Dosimeter, dass Strahlenbelastung misst, gibt diesen Wert in Sievert an. Die Strahlendosis die beim Röntgen oder im MRT aufgenommen wird, wird ebenfalls in Sievert angegeben. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt die durchschnittliche natürliche Strahlenbelastung in Sievert an. Dieser Wert liegt für eine durchschnittliche Person in Deutschland bei 2.1 mSv pro Jahr. Die untere Grenze liegt bei 1 mSv und die obere Grenze bei 10 mSv pro Jahr. Somit sammelen Menschen in Deutschland aufgrund der natürlichen Strahlung in 100 Jahren Lebenszeit eine Dosis von rund 200 mSv - mindestens aber 100 mSv und maximal 1.000 mSv - an.
Da jeder Mensch in seiner Lebzeit eine Strahlendosis in der genannten Größenordnung aufnimmt, kann nicht entschieden werden, ob diese Dosen zu Krebs führen können.
3. Halbwertszeiten
Zum Verständnis gehören zwei weitere Konzepte. Zum einen die physikalische Halbwertszeit, die etwas über das Vergehen radioaktiver Stoffe aussagt. Und zum anderen die biologische Halbwertszeit, die Auskunft über die Verweilzeit eines Stoffes im Körper gibt. Jeder Stoff, den wir zu uns nehmen, wird mit der Zeit vom Organismus wieder verstoffwechselt oder ausgeschieden. Beispielsweise hat Alkohol eine Wirkung auf unseren Körper und Geist. Die Wirkung verschwindet aber nach einiger Zeit, denn der Alkohol (und seine Wirkung) wird wieder vom Körper ausgeschieden. Radioaktive Stoffe stellen hier keine Ausnahme dar. Auch sie durchlaufen unseren Körper auf unterschiedlichen Wegen und verlassen diesen wieder.
Instabilität ist die Natur eines radioaktiven Stoffes. Aufgrund dieser Natur hat jedes radioaktive Material eine spezifische Halbwertszeit. Diese gibt an, nach welcher Zeit die Hälfte des Materials aufgrund seiner Instabilität zerfallen ist. Beim Plutonium-239 (Pu-239) beträgt die Halbwertszeit rund 24.100 Jahre, beim Cäsium-137 (Cs-137) sind es nur noch 30 Jahre und das radioaktive Iod-131 (I-131) zerfällt nach lediglich 8 Tagen zur Hälfte.
Oft wird der Schluss gezogen, dass eine besonders hohe physikalische Halbwertszeit ein Indikator für besondere Gefährlichkeit ist. Immerhin ist dieses Material sehr lange vorhanden und vergeht nicht so schnell. Allerdings greift dieser Schluss zu kurz, denn die physikalische Halbwertszeit gibt nur die Geschwindigkeit des Zerfalls an.
Für die Bewertung der Gefährlichkeit ist aber entscheidend, wieviel Wirkung das radioaktive Material auf den Menschen ausüben kann. Für einen Menschen ist der Zerfall von Plutonium so langsam, dass dieser beim Großteil des Zerfalls schlicht nicht dabei ist.
Die biologische Halbwertszeit gibt Auskunft darüber, wie lange ein radioaktiver Stoff im Körper verweilt, bevor er wieder ausgeschieden wird. Diese Zeit hängt vom Weg ab, den der Stoff durch den Körper nimmt. Stoffe, die der Organismus benötigt, werden eingelagert und verweilen daher länger. Andere Stoffe haben keinen Nutzen im Körper und durchwandern diesen nur, bis sie letztlich wieder ausgeschieden werden. Die physikalische Halbwertszeit hat auf die Verweildauer im Körper keinen Einfluss. Daher ist es möglich, dass die biologischen Halbwertszeiten radioaktiver Stoffe in einer Größenordung liegen, obgleich ihre physikalischen Halbwertszeiten sehr weit auseinander liegen.
Die biologischen Halbwertszeiten für Plutonium-239, Cäsium-137 und Iod-131 sind sehr ähnlich. Sie liegt für Plutonium-239 bei 200 Tagen, für Cäsium-137 bei rund 100 Tagen und für Iod-131 bei etwa 80 Tagen. Der problematische Stoff ist aber das Iod-131 und nicht, wie oft fälschlich vermutet, das Plutonium-239. Der radioaktive Zerfall von Iod-131 verläuft viel schneller als der des Plutonium-239 ab. Im Ergebnis nimmt der Körper bei gleicher Menge vom Iod-131 eine höhere Strahlendosis auf, als vom Cäsium-137, und vom Cäsium-137 wiederum bei gleicher Menge eine höhere Strahlendosis als vom Plutonium-239.
Der radioaktive Zerfall von Iod-131 ist derart schnell - seine physikalische Halbwertszeit beträgt nur 8 Tage - dass es seine Wirkung in den rund 80 Tagen, in denen es im Körper verweilt, quasi vollständig entfalten kann. Denn schon nach 16 Tagen ist bereits 87,5% des Iod-131 zerfallen und hat somit seine Dosis auf den Organismus abgegeben. Die Aufnahme von Iod-131 führt oft zu Schilddrüsenkrebs, wobei der Mechanismus wie folgt funktioniert.
Die Schilddrüse nutzt normalerwiese stabiles Iod, um ihrer Funktion nachzukommen. Da Iod selten ist, versucht der Körper es so lange wie möglich zu halten und lagert es daher ein, sobalt es über die Nahrung aufgenommen wird. Das gilt auch für radioaktives Iod-131, da sich dieses genau wie stabiles Iod verhält. Dort zerfällt es und schädigt das Erbgut der Zellen derart, dass diese bei der Zellteilung keine exakten Kopien erzeugen können. Dadurch kommt es zu Zelldefekten, die zu Schilddrüsenkrebs führen können.
Ist die Schilddrüse allerdings mit Iod gesättigt, nimmt sie kein weiteres Iod mehr auf. Bei der gabe von Iod-Tabletten wird genau dieser Effekt genutzt. Die Schilddrüse wird mit stabilem Iod vorab gesättigt. Wenn nun der Organismus radioaktives Iod-131 aufnimmt, wird es nicht mehr eingelagert und die biologische Halbwertszeit reduziert sich auf wenige Stunden.
Reale Auswirkungen
Im vorrausgehenden Abschnitt wurde beschrieben, dass wir ständig von natürlicher Strahlung umgeben sind, wie Strahlung auf den menschlichen Organismus wirkt und warum Strahlung nicht automatisch gleich fatale Folgen hat. Tatsächlich gibt es vieles, was die die Folgen von Strahlung auf den menschlichen Organismus begrenzt.
Um dies zu veranschaulichen, analysiert der folgende Abschnitt Situationen in denen radioaktives Material in erheblichen Ausmaß freigesetzt wurde und deren Auswirkungen für Menschen. So etwas kommt bei nuklearen Reaktorunglücken der höchsten Stufe vor. Glücklicherwiese gab es lediglich zwei solcher Reaktorkatastrophen, das Unglück von Tschernobyl und das von Fukushima.
Tschernobyl
25 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl hat der UNSCEAR in seinem Bericht umfassende Untersuchungen und deren Ergebnisse dazu vorgelegt. Der UNSCEAR ist der wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung. Er ist damit vergleichbar mit dem IPCC. Wie der IPCC, ist er an das UN Umweltprogramm (UNEP) angegliedert. Ebenso wie der IPCC die wissenschaftlichen Fakten zum Themenkomplex des Klimawandels zusammenträgt, trägt der UNSCEAR die wissenschaftlichen Fakten zu den Auswirkung radioaktiver Strahlung zusammen.
Aus dem Bericht des UNSCEAR geht hervor dass (anders als oft behauptet) die tatsächliche Zahl der direkten Todesopfer der Tschernobyl-Katastrophe bei unter 50 Personen liegt. Der UNSCEAR [7] kommt zu dem Ergebniss, dass 134 Kraftwerksmitarbeiter in Tschernobyl einer solchen Strahlbelastung ausgesetzt waren, dass diese zur akuten Strahlenkrankheit führte. Strahlenkrankheit bedeutet, dass die aufgenommene Dosis derart hoch war, dass es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kam.
Trotzdem leben die meisten dieser 134 Kraftwerksmitarbeiter auch 25 Jahre später noch. Einige haben Kinder bekommen. Diese Kinder waren normal entwickelt. Tatsächlich sind nur 28 der 134 Arbeiter relativ bald nach der Strahleneinwirkung an Ihren Verletzungen verstorben. Im Zeitraum von 1987 bis 2006 sind weitere 19 der 134 Menschen verstorben, wobei dies nicht nur mit strahlenbedingten Spätfolgen einher ging. So war die Todesursache bei 7 der 19 nicht krebsbedingtes Organversagen, bei zweien war es Leberzirrhose, bei zwei weiteren kam es zu Tuberculose, einer ist an Verletzungen eines Unfalls verstorben S. [7, p. 60 Abs. 63].
Das es "nur" zu 134 Fällen akuter Strahlenkrankeit gekommen ist, ist bei Berücksichtigung der Informationen aus dem vorhergehenden Abschnitt nachvollziehbar. Für eine tödliche Strahlenbelastung bedarf es einer enorm hohen Dosis. Allerdings gibt es viele Faktoren, die die Aufnahme einer solchen Dosis erschweren. Natürlich gab es viel mehr Fälle von nicht akuter Strahlenkrankheit. Allerdings handelt es sich im nicht akutem Fall um eine überlebbare Krankheit.
Neben den Folgen für die Kraftwerksmitarbeiter gab es Folgen für die Bevölkerung. In Folge des Reaktorunglücks kam es im Umfeld des Reaktors zu erhöhter Strahlenbelastung. Aufgrund dessen kam es in den betroffenen Gebieten zu erhöhten Krebsraten, vor allem zu Schilddrüsenkrebs. Schilddrüsenkrebs gehört zu jenen Krebssorten, die gut behandelbar sind. Laut Prof. Geraldine Thomas basiert eine Therapie ironischerweise auf der Verabreichung von radioaktivem Iod-131 (vgl. [8]). Die Überlebensraten können über 90% erreichen.
Beim Schilddrüsenkrebs handelt es sich um die einzige Folge, die zweifelsfrei nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl in den betroffenen Gebieten nachgewiesen werden konnte.
Tatsächlich kam es nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl in den betroffenen Gebieten in der Ukraine, in Belarus sowie in Russland zu einem starken Anstieg von Schilddrüsenkrebs. Dieser Anstieg wurde bei Kindern, die zum Zeitpunkt des Unfalls unter 10 Jahre alt waren, verzeichnet Abs. [7, p. 66]. Bei Kindern, die nach dem Unfall geboren wurden, konnte kein Anstieg von Schilddrüsenkrebs festgestellt werden Abs. [7, p. 67].
Tatsächlich gibt es bis heute neben diesen beschriebenen Folgen, keine weiteren direkt nachweisbaren Auswirkung auf die Gesundheit der Öffentlichkeit. Im UNSCEAR Bericht wird dies explizit Abs. [7, p. 99, Strich 5] festgestellt.
Neben dem gut behandelbaren Schilddrüsenkrebs wird vermutet, dass es zu weiteren Krebsfällen und damit zu weiteren Todesfällen kommen wird. Wie hoch diese Zahl sein wird, ist unklar. Elisabeth Cardis et al. hat im Internationalem Krebs-Journal 2006 eine Untersuchung veröffentlich, die von insgesamt 16.000 zusätzlichen Krebstoten aufgrund der Tschernobylkatastrophe, bis zum Jahre 2065 ausgeht [9]. Die 16.000 stehen allerdings für lediglich 0,01% aller Krebsfälle [10], 99,99% gehen auf andere Ursachen zurück.
Die Extrapolation beruht darauf, dass bis 2005 10000 zusätzliche Schilddrüsenkrebsfälle und 4.000 andere Krebsfälle verzeichnet wurden. Ein Vergleich dieser Zahl mit von der Gesellschaft akzeptierten Todesursachen hilft, bei der weiteren Einordnung. Es sterben weltweit jedes Jahr 99.000 Personen aufgrund des natürlich vorkommenden Radons. In Deutschland sind jedes Jahr 62.000 Todesfälle, in direkter Folge von Alkoholkonsums akzeptiertS. [11, p. 16]. Die zusätzlichen 16.000 Krebstoten stellen übrigens die absolute Zahl dar, nicht die jährliche Zahl.
Der Bericht wurde bereits 2008 fertig gestellt, aber aus politischen Gründen erst nach dem Unglück von Fukushima veröffentlicht. Eventuell hätte eine vorherige Veröffentlichung in Fukushima zu besonneneren Entscheidungen geführt.
Fukushima
Auch wenn es in Fukushima zum schwersten nuklearen Unfall nach Tschernobyl gekommen ist, blieb die zusätzliche Strahlenbelastung für die Bevölkerung in der Größenordnung der natürlich vorkommenden Strahlung S. [12, p. 120]. Die Strahlenbelastung der Öffentlichkeit im direkten Bereich um das Kernkraftwert (im Soso-Gebiet) war für 98,7% der Bevölkerung unter 5 mSv. Darüber hinaus blieb die durchschnittliche Strahlenbelastung im gesamten Fukushima-Gebiet sogar unter 3 mSv.
Wie schon im ersten Abschnitt erläutert, gibt das Bundesamt für Strahlenschutz die durchschnittliche jährliche Strahlenbelastung in Deutschland mit zwischen 1 mSv und 10 mSv an. Die 3mSv, aber auch die 5mSv, liegen im Rahmen des vom BfS angegebenen normalen Bereich für die deutsche Bevölkerung. Letztlich beläuft sich die durch den Kraftwerksunfall von Fukushima ausgelöste Strahlenbelastung im direkten Umkreis um das Kraftwerk, als auch im gesamten Fukushima-Gebiet, auf Werte in der Größenordnung der Strahlenbelastung der natürlichen Hintergrundstrahlung.
In unmittelbarer Folge des Reaktorunglücks ist niemand verstorben. Leider ist ein Arbeiter 4 Jahre nach dem Unfall an Lungenkrebs verstorben. Dieser konkrete Krebs konnte auf die Strahleneinwirkung aus dem Reaktorunglück zurückgeführt werden [3].
Es konnten außerdem keine frühzeitgen, auf Strahlenbelastung zurückführbaren gesundheitlichen Folgen bei Arbeitern festgestellt werden. Gleiches gilt für strahlenbedingte Folgen in der Öffentlichkeit S. [12, p. 130]. Dies ist schlüssig, da die aufgenommenen Dosen äußerst gering waren. Aufgrund der geringen Strahlenbelastung werden für die Bevölkerung keine Langzeitfolgen erwartet.
Bis auf 174 Außnahmen haben alle Arbeiter, die direkt in den nuklearen Unfall verwicklet waren, rund 23.000 Personen, nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene maximale Strahlenbelastung überschritten.
Wenige Tage nach dem Unfall wurden Gebiete im Radius von 20 - 30km um das Kraftwerk evakuiert. Aufgrund dieser Evakuierungsmaßnahmen und der damit verbundenen unzureichenden medizinischen Versorgung kam es zu 2.326 Todesopfern [13]. Diese Menschen sind aufgrund der Angst vor Strahlung zu Tode gekommen. Es muss festgehalten werden, das eine Person nach 4 Jahren an den Folgen der Strahlung verstorben ist, aber 2.326 Menschen direkt an den Folgen der Angst vor Strahlung verstorben sind.
In vielen Berichten bleiben das Erdbeben und der Tsunami von Fukushima unerwähnt. Das Beben vom 3. März 2011 ist das viertstärkste Erdbeben, das auf unserem Planeten gemessen wurde [14]. Es ist das schlimmste Erdbeben der japanischen Geschichte, die eng mit Erdbeben verknüpft ist. In Folge des Erdbebens kam es zum schlimmsten Tsunami der Geschichte Japans. Es wurden 500 km^2 überflutet, 600.000 Menschen in Mitleidenschaft gezogen und 22.199 Menschen starben S. A- [15, p. 5]. Dennoch verbinden wir mit dem Begriff Fukushima vor allem die Angst vor Strahlung und nicht das Leid aus dem Erdbeben sowie dem Tsunami.
Fazit
Der Artikel hat im ersten Abschnitt die Hintergründe erklärt, die notwendig sind um das Thema nüchtern beurteilen zu können. Dabei wurde beschrieben, dass radioaktive Strahlung keine besondere Form der Strahlung ist, sondern dass es sich um eine von vielen natürlichen Strahlungsformen handelt. Es wurde erläutert, wie sich Strahlung ausbreitet, was die Ausbreitung behindert und ab wann Strahlung schädigende Wirkungen haben kann. Weiter wurde gezeigt, dass die Menge der übertragenen Energie ein ausschlaggebender Faktor ist. Da es viele weitere Faktoren gibt, wurde mit der äquivalenzdosis Sievert eine Maß eingeführt, welches die Vergleichbarkeit von Strahlenexposition ermöglicht. Der Artikel hat außerdem aufgezeigt, dass es viele Ursachen für die Strahlenexposition eines Menschen gibt und dass die weitaus meisten auf natürliche Quellen zurückzuführen sind. Außerdem wurde der wichtige Unterschied zwischen der pyhsikalischen und der biologischen Halbwertszeit beschrieben.
Mit diesem Hintergrundwissen wurden dann die zwei bedeutendsten Kernkraftwerksunfälle der Menschheitsgeschichte betrachtet. Dabei wurde gezeigt, dass deren Auswirkungen weitaus weniger dramatisch waren, als oft vermutet. Auch wenn wir es gewohnt sind, Kernkraftwerksunfälle als schreckliche Katastrophen anzusehen, lässt sich dies mit der Anzahl der direkten und indirekten Opfer alleine nicht rechtfertigen.
Außerdem wurde darauf hingewiesen dass auch die Angst alleine schon zu negativen Auswirkungen führen kann. Insbesonder die Ereignisse von Fukushima zeigen, dass die Angst vor Strahlung einen hohen Preis hat. In Japan hat die Angst vor Strahlung unverhältnissmäßig mehr Menschen das Leben gekostet, als die Auswirkungen des Kernkraftwerkunfalls selber. Teile des Fukushima-Gebiets sind bis heute gesperrt und dürfen von der Bevölkerung nicht betreten werden, obwohl die Strahlenbelastung dort nicht extrem hoch ist (via [16], vgl. dazu auch [17]).
Auch das Leben in den wiederbewohnten Gebieten bleibt schwierig. Allerdings anders als immer erwartet, nicht aufgrund der Strahlung, sondern aufgrund der Angst vor Strahlung. Der überlebenswichtige Export aus der Region heraus ist schwierig, da dort produzierte Lebensmittel auf dem nationalen und internationalen Markt nur eingeschränkt verkäuflich sind. Dies ist bedauerlich, denn die Strahlenbelastung im Fukushima-Gebiet ist nach dem Maßstab des deutschen BfS als normal einzustufen.
Mit Blick auf die Herausforderungen der Klimakriese ist es enorm wichtig, dass unsere Entscheidungen nicht von Ängsten bestimmt werden. Es ist weiter wichtig, dem Klimawandel faktenbasiert und nicht ideologisch zu begegenen. Dazu gehört, dass unsere Ansichten mit dem Fortschirt der Erkentnisse gehen müssen. Die Tatsache, dass Deutschland aktuell wieder Kohle und Gas verbrennt, um Strom zu erzeugen, ist und bleibt ein enormes Problem. Natürlich werden wir das deutsche Klimaziel bis 2045 kaum durch den Bau neuer Atomkraftwerke meistern. Sofern wir aber eine Vorbildrolle im internationalen Vergleich einnehmen wollen ist es notwendig, die Fehler der Vergangenheit auch als solche offen zu auszusprechen.
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